Erste Annäherung an die Musik:
Jeden Mittwoch kam der Flötenlehrer zu uns ins Haus. Nachdem wir zusammen gegessen hatten, gab er meinen älteren Geschwistern Einzelunterricht. Scheinbar, so wurde später berichtet, schlich ich mich von klein an in das Wohnzimmer, um aufmerksam das Geschehen zu verfolgen. Aufgrund dessen durfte ich schon früher als vorgesehen mit dem Flötenspielen beginnen, noch im Kindergartenalter.
Als ich sechs war, kam die Violine als mein Hauptinstrument hinzu und begleitete mich bis über die Schul- und Studienzeit hinaus. Auch Klavierunterricht erhielt ich während dieser Jahre, aber mit weniger Intensität.
Wie das Bandoneón in mein Leben kam:
Nach abgeschlossener Ausbildung zur Grundschullehrerin begann ich in Holland mit dem Eurythmiestudium, in meiner Freizeit Tango argentino zu tanzen und das früher nur gelegentliche Akkordeonspiel unter professioneller Anleitung zu intensivieren. Als ich gerade “primavera porteña” von Astor Piazolla übte und mein zukünftiger Mann zuhörte, fragte er, ob ich Lust hätte, diese Art von Musik auf dem Bandoneon zu spielen. Und da geschah etwas für mich aus heutiger Sicht Unglaubliches: meine Antwort war: “Was ist ein Bandoneón?”
Ich als Deutsche, so deutsch wie das Bandoneón, wusste nicht, was ein Bandoneón ist! – Scheinbar ist es möglich, argentinischen Tango zu tanzen ohne dieser besonderen und unverwechselbaren Bandoneón-“Stimme” Gehör zu schenken. Nach dem Motto: Was man nicht kennt, erkennt man auch nicht. Und heutzutage ist in der musikalischen Kultur Deutschlands das Bandoneón leider kaum bekannt.
Die Frage, ob ich Bandoneón lernen wollte, beantwortete ich in diesem Moment mit einem ent-schiedenen “nein”, da ich das Gefühl hatte, schon zu viele Instrumente zu spielen und keinen Drang verspürte, mit etwas Neuem zu beginnen. So sollten noch mehrere Jahre vergehen, bis ich mich schliesslich dem Bandoneón annäherte.
Dies geschah im Jahre 2006, als wir nach Buenos Aires gezogen waren, und mein Mann vorschlug, gemeinsam Unterricht bei dem Maestro Rodolfo Mederos zu nehmen. Nach den ersten Stunden war klar, dass ich etwas gefunden hatte, was mich faszinierte und nicht mehr in Ruhe liess. So verbrachte ich in den nächsten sieben Jahren viel Zeit mit dem Erlernen dieses wunderbaren und “teuflisch” schweren Instrumentes.
Aktivitäten mit dem Bandoneon:
* von 2006 bis 2013 nahm ich Unterricht bei Rodolfo Mederos, wobei es zum einen darum ging, das Instrument zu erlernen, und zum anderen, mich in die musikalische Sprache des Tangos “einzuhören”. Schwer fiel es mir, mich von der klassischen Eins-zu-eins-Übersetzung der Noten zu befreien, zu verinnerlichen, dass im Tango eine Viertelnote nicht gleich einer Viertelnote ist, dass man eine Melodie auf unendliche viele Arten “frasieren», interpretieren kann! Manchmal war ich nahe am Verzweifeln, wenn ich meinen Lehrer bat, mir eine Frase noch einmal vorzuspielen, und er sie wieder ganz anders spielte als kurz zuvor.
* Als ich das Instrument schon etwas beherrschte, trat ich dem Tango Orchester des Konservatoriums IUNA (Instituto Universitario Nacional de Arte) bei und hatte das Glück, bei der CD-Einspielung der “Misa a Buenos Aires” von Martín Palmeri dabei zu sein, welcher bei dieser Gelegenheit den Klavierpart übernahm, sowie bei der Aufnahme einer zweiten CD, diesmal nur mit Tangos, bei der die Sängerin Susanna Rinaldi mitwirkte, und Horacio Ferrer den Text seiner “Balada para un loco” zu der Musik von Piazzolla rezitierte.
* 2008 lernte ich die Philosophie- und Literaturdozentin Alicia Ardila kennen, mit welcher ich bis heute jährlich neue Versionen zum Thema “Borges y Bandoneón” mit immer anderen Themen-schwerpunkten kreiere und präsentiere.
* Mit dem Schauspieler und Tangotänzer Diego Alvaro brachten wir unter der Regie von Julian Howard die Kurzgeschichte “las puertas del cielo” von Julio Cortazar auf die Bühne.
* Im Buenos Aires nahm ich im Laufe der Jahre drei CDs auf, zwei von ihnen mit Bandoneonsolos, die dritte in Zusammenarbeit mit anderen Musikern, Sängern und Schauspielern.
* In Argentinien und Europa hatte ich Gelegenheit, die Geschichte des Bandoneons vorzutragen, wobei Solos mit Texten und Anekdoten abwechselten.
* Im Jahre 2009 lud man mich ein, bei der Aufnahme eines Dokumentarfilms des Schweizer Fernsehens in Buenos Aires Bandoneon zu spielen.
* In einer der Szenen des argentinischen Filmes “¿Que ves? ecos de lo INVISIBLE” von Sofía Vaccaro spielen mein Kollege Mateo Terrille und ich Duos.
* 2013 zogen wir nach Barcelona. In dem Tango Orchester “Latitud Tango» lernte ich Gaspar Müller kennen. Im Austausch mit ihm entwickelte sich die Idee einer eigenen Tango Gruppe, welche heute “el piropo” ist.
* 2013 bis 2015 spielte ich auch im Tango Orchester von Marseille mit.
* Im Mai 2014 nahm ich teil an der Präsentation von “la rosa profunda”, welche im Rahmen der “semana de la poesía” (Woche der Poesie) im Ateneo von Barcelona aufgeführt wurde.